Trauma beim Hund – na und?

Traumaarbeit beim Hund – ein ganz anspruchsvolles Feld, wie Expertin Mag. Iris Schöberl, PhD weiß.

Natürlich schade für Iris Schöberl, dass ihr großer Traum der Freilandforschung an Wölfen in Kanada (noch) nicht wahr geworden ist. Umso besser für alle Mensch-Hunde-Teams, denn so steht ihr unglaubliches Fachwissen den Zwei- und Vierbeinern zur Verfügung. Mit uns hat die Burgenländerin über das sehr spannende, aber sehr komplexe Thema der Traumaarbeit bei Hunden gesprochen. Dabei hat sich so mancher Mythos aufgelöst, dafür aber großer Respekt für dieses Thema gefestigt.

Narben auf der Seele, so bezeichnen Sie Traumata fast liebevoll – und dennoch ist es ein ganz großes und leider scheinbar wachsendes Thema.
Iris Schöberl: Ja, leider. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie solche Traumata entstehen bzw. warum wir uns mit ihnen auseinandersetzen müssen. Angefangen von den Welpen und Hunden, die aus unbekannten, leider oft sehr bedenklichen Zuchten aus dem Ausland kommen, Hunde aus Tötungsstationen oder ausländischen Tierheimen, aber auch Hunde, die hier bei uns im Tierheim landen und Schreckliches erlebt haben. Und – und auch das wird oft unterschätzt – Hunde, die in vermeintlich liebevollen Haushalten leben und dort einfach aus Unwissenheit übergriffig und wenig feinfühlig behandelt werden und daraufhin ungewolltes Verhalten zeigen.

Woran erkennt man, ob und welches Trauma bei einem Tier vorliegt?
Das ist genau die Krux – man weiß es nicht und wird es auch nicht vollständig herausfinden können, denn dazu müsste uns das Tier sagen, was es erlebt hat. Ein simples Beispiel: Der Hund setzt sich nicht hin. Das kann zahlreiche Gründe haben, der einfachste kann sein: Die Wiese ist nass. Da setzen sich manche Rassen, die einen nackten Bauch haben, nicht gerne hin. Aber es kann auch sein, dass der Hund Angst vorm Trainer hat, die Umgebung ihm Stress macht, er Schmerzen hat, er aufgrund eines Traumas schlecht lernen kann u. v. m. Und nun geht es darum, der Reihe nach auszuschließen, was der Grund ist. Sprich – bei jedem unerwünschten Verhalten erstmal abklären, ob eine medizinische Ursache vorliegt, und dann weiter forschen, was es sein kann. Durch eine gründliche Anamnese kann ich zumindest erahnen, woher die Probleme kommen.

An welcher Stelle kommt dann die Verhaltensberatung ins Spiel und was hat diese für Möglichkeiten, die Situation zu verbessern/verändern?
Am besten recht bald. Denn es ist hier auch noch viel Unwissen verbreitet. Den aggressiven Hund gibt es zum Beispiel sehr selten, oftmals ist Angst eine Ursache für Aggression. Sowohl Themen wie Angst als auch Aggression gehören in die Hände eines Verhaltensberaters. Jedem Verhalten liegt eine Emotion zugrunde. Ändere ich die zugrundeliegende Emotion, verändert sich auch das Verhalten. Hier setze ich systemisch und ganzheitlich meine Beratungsarbeit an. Systemisch bedeutet, ich schaue mir die Familie bzw. die Hundehalter genau an, und ganzheitlich beziehe ich Gesundheit, Ernährung und Psychosomatik mit ein. Hunde spiegeln oft auch den Halter oder besser gesagt dessen Probleme. Viele Halter haben Angst – wovor auch immer – und übertragen das auf den Hund. Und auch Kinder zeigen oft die gleichen Symptome wie der Hund! Das alles kann ich aber nur erkennen und dann auch richtig bearbeiten, wenn ich dieses Know-how habe. Und es ist aus meiner Sicht auch überhaupt nicht nötig, sich bei einem „aggressiven“ Hund das unerwünschte Verhalten einmal zeigen zu lassen. Ich weiß ja, wie oder was ein aggressiver Hund ist. Ich arbeite auch grundsätzlich über Freude und Motivation und mit bindungsorientierter Begleitung. Das schließt schon viele andere Methoden aus.

Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass sich auch Hundetrainerinnen und -trainer mit dem Thema Traum beim Hund auseinandersetzen?
Weil Hundetrainerinnen und -trainer fast immer die ersten Ansprechpartner sind, wenn es um problematische oder unerwünschte Situationen mit dem Hund geht. Und wenn ich beim Training mit dem Tier einfach nicht weiterkomme oder immer wieder von vorne anfange, dann sollten alle Alarmglocken läuten.

Sie haben eine interessante Fortbildungsreihe dazu entwickelt, die sich genau mit dem Thema beschäftigt. Ihrer Meinung nach ein Muss für alle, die mit Hunden arbeiten?
Nun, jeder Hunde-Tierbetreuer möge für sich selbst entscheiden, zu welchem Bereich er sich weiterbilden möchte. Traumatisierte Hunde begegnen uns jedoch in all diesen Tierberufen, bei Unwissenheit bzw. wenn ich die Problematik nicht erkenne, kann das mitunter gefährlich werden. In der Fortbildung gebe ich in 16 Stunden einen Überblick über das Thema Traumaarbeit mit Hunden, hier können sich Interessierte viele wichtige Ansätze und Infos mitnehmen.

Die vier Module (4 x 4 Stunden) sind kompakt gefüllt mit Trauma-Wissen?
Ja, doch, es ist recht kompakt (schmunzelt), aber mir ist es wichtig, einen breiten Abriss zu geben, was die Traumaarbeit alles umfasst. Deshalb ist es in vier Module mit Theorie und Praxis gegliedert. Da besprechen wir neurobiologische Grundlagen und Fragen wie z. B.: Was passiert im Gehirn, wenn wir traumatische Ereignisse erleben? Warum geht der Körper plötzlich in einen Flucht-, Kampf- oder sogar Ohnmachtszustand und was braucht es, damit wieder Sicherheit empfunden wird? Wir definieren Trauma und Traumafolgestörungen und was auf ein Trauma beim Hund hinweisen kann. Auch die sozialen Aspekte bei der Entstehung und ebenso Bewältigung von Traumata sind besonders wichtig. Es gibt zwei Module, in denen wir uns voll und ganz der Praxis widmen, hierbei liegt der Schwerpunkt auf Fallbeispielen aus meiner Praxisarbeit unter anderem mit ängstlichen und auch aggressiven Hunden. Hier stelle ich Trainingsmöglichkeiten und Alltagsgestaltung vor. Und schlussendlich spreche ich über ethische Aspekte und Grenzen des Hundetrainings und gebe auch dazu Beispiele und Managementmaßnahmen.

Nach dieser Fortbildung ist man aber kein Verhaltensberater, oder?
Nein, das möchte ich ganz klar betonen! Denn das Thema ist einfach superkomplex. Es ist eine Fortbildung und kann sicher sehr dienlich für die eigene Arbeit sein, wenn ich um diese vielen Zusammenhänge und Grundlagen weiß.

Was heißt das dann aber für die Hundetrainerin bzw. den Hundetrainer, wenn sie bzw. er mit dem Hund selbst nicht weiterkommt oder ein Trauma vermutet?
Das heißt für diese, dass sie das Tier an fachlich hochqualifizierte Verhaltensberater weitergeben dürfen und durchaus dennoch ihr Hundetraining mit dem Hund durchführen können. Wir Verhaltensberater sind ja keine klassischen Hundetrainer. Leider ist das „Weitervermitteln“ immer noch ganz unbeliebt, weil scheinbar ein großes Konkurrenzdenken herrscht. Im Sinne des Tieres ist das aber leider nicht. Ich meine, wir Tierbetreuer können großartig zusammenarbeiten. So bekomme ich oft Zuweisungen von Hundetrainer*innen, ich mache eine gründliche Anamnese und arbeite an dem Thema Angst/Aggression, Mensch-Hund-Bindung etc., und die/der Hundetrainer*in trainiert weiterhin Aspekte der Grunderziehung. Im Humanbereich ist es Standard, dass verschiedene Disziplinen kooperieren.


Herzlichen Dank für das Gespräch!

Trauma Hund

Zur Person:

Mag. Iris Schöberl, PhD ist Verhaltensbiologin, Hundeverhaltensberaterin sowie Lebens- und Sozialberaterin, Familienberaterin und Tiergestützte Kompetenztrainerin. 2017 hat sie den PhD (Doctor of Philosophy im Doctoral Program Cognition and Communication mit Spezialisierung auf Verhaltensbiologie, Bindung und Stressmanagement) erworben. Alles Weitere auf www.beratungundtraining.at

 
 

von (Kommentare: 0)

Zurück